Zusammen mit seiner Partnerorganisation Humanitarian Foundation, gegründet von Angehörigen ethnischer Minderheiten, führt CO-OPERAID in den Chittagong Hill Tracts (Distrikt Bandarban) von Bangladesch Bildungsprojekte durch. Das Leben der Minderheiten im Projektgebiet ist geprägt von Armut, Missachtung der Menschenrechte und Gewalt.
Die Chittagong Hill Tracts (CHT) sind ein Berggebiet an der Grenze zu Myanmar und Indien. Die Urbevölkerung der Region sind "Hill Tribes" ("Bergvölker", z.B. Chakma, Marma, Tripura, Mro oder Khumi), die in der Vergangenheit im und vom Urwald gelebt hatten. Ihre Landwirtschaftsform ist der Schwendbau ("slash and burn"), lokal "Jum" genannt, weshalb sie sich auch als "Jumma" bezeichnen. Sie sind tibeto-birmanischen Ursprungs und unterscheiden sich durch ihre Sprachen, Traditionen, soziale Organisation und Religionen (Animismus, Buddhismus, Christentum) voneinander und noch deutlicher von den Bengalen, der muslimischen Mehrheitsbevölkerung (90% der Staatsbürger/innen) von Bangladesch.
Nach dem Zusammenbruch des britischen Kolonialreiches 1947, der Unabhängigkeit Indiens und der Abspaltung von Pakistan (zu dem damals das heutige Bangladesch gehörte, als Ost-Pakistan) hat für die indigene Bevölkerung der CHT ein Leidensweg begonnen, der schon Tausende von Opfern gefordert hat und dessen Ende nicht absehbar ist. Einerseits wurden die CHT Teil des Nationalstaats Bangladesch, anderseits sind ihre Bewohner/innen bis heute nicht als gleichberechtigte Bürger/innen akzeptiert. Für die Bengalen sind die ethnischen Minderheiten Primitive, die darüber hinaus gefährlich sind und von Militär und Polizei unter Kontrolle gehalten werden müssen. Wie die Realität tatsächlich aussieht, interessiert in Bangladesch ausser den Betroffenen nur wenige Menschen. Für religiös motivierte Bengalen sind die ethnischen Minderheiten als nicht-Muslime generell nicht tolerierbar.
Diskriminierung und Gewalt
Bereits in den 70er Jahren wurde eine nationalistisch-islamistische Siedlungspolitik zur Verdrängung der Urbevölkerung beschlossen. Ein Regierungsprogramm siedelte bengalische Bauern in die CHT um und die Minderheiten wurden zunehmend vom fruchtbaren Land in abgelegene Gebiete verdrängt. Verstärkt wurde der Verdrängungsprozess durch wirtschaftliche Grossprojekte (Kaptai-Damm), die industrielle Ausbeutung des Waldes durch das Forstwirtschafts-Departement und grossflächige Annektierung von Land für die Armee. Als sich der Landkonflikt zuspitzte, und gleichzeitig die politischen Forderungen der Jumma nach Autonomie und Mitbestimmung endgültig gescheitert waren, kam es ab 1977 zum Bürgerkrieg. Mehr als zwei Jahrzehnte lang kämpften die Jumma gegen die Regierungsarmee. Es wird geschätzt, dass in den 80er Jahren zehn Prozent der indigenen Bevölkerung nach Indien floh. Bei mindestens zehn Massakern der bengalischen Armee an der Zivilbevölkerung zwischen 1979 und 1993 gab es bis zu 2000 Todesopfer. Das Vorgehen der Armee wurde von der Gesellschaft für bedrohte Völker als Völkermord eingestuft. Smartphones und soziale Medien waren damals noch nicht erfunden, so dass im Rest der Welt kaum jemand von diesen Geschehnissen erfuhr.
1997 wurde ein Friedensabkommen ausgehandelt. Dieses garantiert den ethnischen Minderheiten ihre Grundrechte und legt das Verfahren zur Beilegung der Landkonflikte fest. Die Guerilla der Indigenen (Shanti Bahini) gab dem Abkommen entsprechend die Waffen ab. Weiter umgesetzt wurde das Friedensabkommen aber nie. Der Verlust des Landes der Väter, Willkür, Diskriminierung und Gewalt, vor allem auch gegen Frauen und Mädchen (Bericht von IWGIA), setzen sich bis heute fort. Ironischerweise wurde die Premierministerin von Bangladesch, Sheik Hasina, nach Beendigung des langen bewaffneten Konflikts sogar als Kandidatin für den Friedens-Nobelpreis gehandelt. Im Jahr 2011 hat die Regierung den ethnischen Minderheiten die Verwendung des Begriffs "indigene Völker" verboten (die UNO hatte im September 2007 eine "Deklaration für die Rechte der indigenen Völker" verabschiedet).
Die Heimat als Militärzone
Die Chittagong Hill Tracts bleiben als nationale Sonderzone von Militär und Polizei besetzt. Ausländer dürfen nur mit einer Bewilligung in die CHT einreisen und ihre Bewegungen werden auf Schritt und Tritt überwacht. Der unbeaufsichtigte Kontakt mit Indigenen ist untersagt. Ein Drittel der Armee ist in einem dichten Netz von Lagern in den CHT stationiert. Mit einem Verhältnis Militär zu Zivilperson von 1:6 handelt es sich um eine der am stärksten militarisierten Zonen weltweit. Die Armee kontrolliert sämtliche Angelegenheiten – auch die Wirtschaft, z.B. Nutzung der natürlichen Ressourcen, Tourismus – und bildet in den CHT einen "Staat im Staat". Die Ungerechtigkeit und Diskriminierung ist allgegenwärtig und grössere und kleinere gewaltsame Zwischenfälle sind sehr häufig.
Heute bilden die Bengalen die Mehrheit in den CHT. Alles wertvolle Kulturland ist im Besitz von Bengalen und das Wirtschaftsleben wird von ihnen bestimmt. Die Verwaltung wird von Bengalen dominiert. Die Gerichte – sofern sie von Indigenen angerufen werden können – entscheiden parteiisch. In den letzten Jahren ist es vermehrt zu Gewalt unter dem Einfluss von militanten bengalischen Siedlern und Religiösen gekommen. Eine neuere Erscheinung ist auch die Zerstörung von Dörfern der Indigenen im Namen der "touristischen Entwicklung". Die betroffenen Dorfbewohner/innen werden ohne oder mit einer minimalen Kompensation vertrieben, wenn nötig unter Gewaltanwendung, und werden zu Landlosen. Der Bevölkerungsdruck und die Unsicherheit haben ebenfalls aufgrund des Zuzugs von Rohingya-Flüchtlingen zugenommen.
Perspektivelosigkeit und fehlende staatliche Leistungen
Die ethnischen Minderheiten in den Chittagong Hill Tracts leben als Folge all dieser Umstände in bitterer Armut. Die meisten Familien ernähren sich nach alter Tradition von der Jum-Landwirtschaft (Brandrodung), derweil ihre noch zur Verfügung stehenden Felder nur noch geringe Erträge abwerfen. Immer wieder kommt es zu Nahrungsengpässen und Hungersnöten - so z.B. 2016, als durch Stürme und starke Regenfällen die Ernten zerstört worden waren. Ein Leben in Sicherheit und Frieden ist für die ethnischen Minderheiten ein ferner Traum. Die Perspektivelosigkeit lastet schwer auf den Menschen, vor allem auch auf der jungen Generation. Die Umsetzung des Friedensabkommens scheint mit jedem Jahr weiter entfernt.
Die Entwicklung in den Dörfern der Bergvölker wird staatlich nicht gefördert. Gesundheitszentren im Einzugsgebiet funktionieren nicht, und die Qualität der wenigen Schulen ist gering. Investitionen in diesen Bereichen sind von Regierungsseite nicht vorgesehen. Sie überlässt es den wenigen im Gebiet tägigen NGOs, alle bürokratischen Hürden zu überwinden und ein Minimum an Entwicklungsmöglichkeiten anzustossen. CO-OPERAID und sein Partner Humanitarian Foundation sind überzeugt, dass auch die Investition in die Bildung essentiell wichtig für eine Zukunft der ethnischen Minderheiten ist.
(siehe auch: Projekt Rowa Kyang, Projekt Upasshak, Projekt Alusama Froi, Projekt Dakkha Nari)