In den Monaten November und Dezember ist im Bandarban Hill Distrikt in Bangladesch jedes Jahr das gleiche Phänomen zu beobachten. Eltern aus nah und fern pilgern zu den Bildungseinrichtungen und Wohnheimen in den grösseren Orten, um einen Platz für den Schulbesuch ihrer Kinder im kommenden Jahr zu ergattern. Die meisten von ihnen kehren enttäuscht nach Hause zurück. Die Zahl der freien Plätze ist viel geringer als die Nachfrage.
Diese Situation ist sehr bedauerlich. Das grosse Interesse von Eltern aus allen Dörfern der Bandarban Hill Tracts - die selber Analphabeten sind - gibt uns als NGO-Mitarbeitende jedoch trotzdem Hoffnung. Ihr Wunsch nach Bildung für ihre Kinder hat sich nicht über Nacht entwickelt. Man kann sagen, dass es sich um eine „Revolution“ handelt. Und es hat fast 20 Jahre gedauert, bis es zu dieser Revolution kam. Das Interesse an der Bildung wurde durch die unermüdliche Arbeit von Menschen aus der Regierung, Privatwirtschaft, NGOs, von religiösen, politischen und sozialen Führern sowie Medien geweckt.
Investition in die Menschen
„Bildung ist das Rückgrat der Nation" – dies war und ist die Botschaft, die alle hören sollen. In der Zeitung „Daily Star“ wurde im Januar 2022 ein Artikel des Bildungsexperten Manjare Khoda veröffentlicht. Darin ging es um Forschungsergebnisse, welche den Fortschritt diverser Länder mit der Investition in die „menschlichen Ressourcen“ vergleichen. "Forschung, technische und technologische Ausbildung" haben gemäss Khoda den höchsten Wirkungsgrad. China habe Japan und die Vereinigten Staaten in verschiedenen Bereichen überflügelt, weil das Land durch die Bildung seine technischen Fähigkeiten am besten nutze. Mit anderen Worten: das Land ist durch die Investition in die Bildung von Null auf den Gipfel gelangt.
Ein Ort in Indien als Inspiration
Vor Jahren besuchte ich die indische Stadt Shillong im Bundesstaat Meghalaya, der zwischen Bangladesch und Bhutan liegt. Dort haben mich die Missionsschulen beeindruckt, in die Studenten aus Indien, Nepal, Bhutan und Bangladesch strömen. Die Schulen sind bekannt für ihre gute Qualität, inbesondere um Englisch zu lernen. Das kleine Shillong hat es geschafft, in ganz Indien und darüber hinaus als "Pilgerort der Bildung" bekannt zu werden. Nun, die kleine Stadt Shillong, eingebettet in eine Hügellandschaft, gleicht meinem Heimatort Thanchi im Bandarban Distrikt…
Das Hügelland als Wallfahrtsort?
Die Technik, in Form des Kaptai-Staudamms und Wasserkraftwerks, hat fast alles gute Landwirtschaftsland der Hill Tracts verschluckt. Was den Menschen zur Entwicklung geblieben ist, sind nur sie selber – die „menschlichen Ressourcen“. Werden sie ausgerechnet durch Kenntnis der Technik voran kommen können? Können wir für sie ein Bildungsangebot mit Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften und Technologie aufbauen? Es hat 20 Jahre gedauert, bis sich die Menschen in den Hill Tracts für Bildung zu interessieren begannen. Es mag nochmals viele Jahre dauern, um ein Bildungsangebot zu etablieren. Aber warum sollen wir nicht heute damit anfangen? Shillong ist ein kleiner Ort, der uns aber viel Inspiration und Mut gibt. Meine Vision ist es, dass auch das Hügelland von Bangladesch, die Bandarban Hill Tracts, ein Shillong und ein Pilgerort des Lernens werden.
Moung Moung Shing, Direktor von Humanitarian Foundation, Bangladesch
(dieser Text wurde im Januar 2022 in zwei Zeitungen in Bangladesch publiziert)
siehe auch: Rowa Kyang Projekt / Humanitarian Foundation