Vor langer Zeit (war es in einem vorherigen Leben?) wollte ich Lehrer werden. Aus dieser Idee war schon nach der Aufnahmeprüfung ans Lehrerseminar die Luft draussen. Macht nichts! Nach beruflichen Stationen im Journalismus und der Kulturbranche bin ich unverhofft bei CO-OPERAID gelandet. Da war die Bildung wieder – täuschte ich mich oder lächelte sie mir zu?
Ich habe nicht zu unterrichten gelernt, aber Bildung ist dennoch seit Jahren mein Anliegen. Ausgehend von der eigenen positiven Bildungserfahrung sind viele Menschen bereit, die Bildung zu fördern. Dieses Netzwerk von Sympathisant/innen zu mobilisieren und ihre Unterstützung auf lohnende Bildungsprojekte zu lenken, bereitet mir grosse Freude. Die Zielsetzung der Projekte von CO-OPERAID sehe ich nicht in der Vermittlung einer überlegenen Methodik oder Konzeption (die gibt es nicht). Die zentrale Aufgabe scheint mir die Stärkung des gesellschaftlichen Prozesses im Bereich der Bildung in Ländern, in denen dieser Prozess wenig Bedeutung hat.
Die Gefängnisse aufbrechen
In den CO-OPERAID-Projektländern, wo sich nur wenige Personen mit Bildung und Pädagogik befassen, und wo kaum Ressourcen dafür zur Verfügung stehen, ist das eine grosse Herausforderung. Von den zuständigen Behörden wird Bildung oftmals lediglich administriert, ohne erkennbares tieferes Interesse. Die Schulteams ihrerseits finden, dass die Initiative für Verbesserungen von oben kommen muss. Und für viele Eltern und Gemeinden ist Bildung eine ausschliessliche Angelegenheit der Behörden, Schulteams oder eben NGOs. In der Konsequenz trifft auf viel zu viele Schulen der Projektländer leider das Bonmot einer Kollegin zu: „Die Kinder müssen aus den Gefängnissen befreit werden!“
Wenn ich in unseren Projekten Lehrpersonen begegne, die neue spielerische und kreative Ansätze in den Unterricht einbringen oder wenn ich mit Eltern-Lehrer-Gruppen spreche, die sich gemeinsam um Verbesserungen an der Schule bemühen, sind unsere Projekte auf dem richtigen Weg. Das Gefängnis bekommt Risse. Der angesprochene Prozess, angetrieben von lokalen Akteuren und NGOs, ist in Gang gekommen. Der Weg bis zu einer guten Allgemeinbildung und damit zu besseren Bildungschancen für die junge Generation bleibt in unterentwickelten Regionen sehr sehr lang. Von NGOs wie CO-OPERAID sind viel Geduld und Ausdauer erfordert. Feiern wir in der Zwischenzeit jedes Kind und jeden jungen Menschen, dessen Leben durch Bildung bereichert wird, als verdienten Sieg!
Was ich sonst noch sagen wollte
Dies ist ein Text zum 40-Jahre-Jubiläum von CO-OPERAID. Dinge müssen gesagt werden und so sage ich zuerst: ich bin sehr stolz auf CO-OPERAID! Wir sind gut und die Welt braucht noch mehr von allem, was in uns steckt. Meinen Kolleg/innen auf der Geschäftsstelle möchte ich danken. Es ist grossartig, die Energie und Motivation unseres Teams zu spüren. Ich bin überzeugt, dass unser gemeinsames Engagement noch viele weitere Initiativen für die Bildung auf den Weg bringen wird.
Die Vorstellungen, was ein „professionelles“ Projekt ausmacht, und das Fundraising haben sich in meiner Zeit bei CO-OPERAID (seit 2005) sehr verändert. Dies leider nicht nur zum Guten. Da wäre mal die Bürokratie und der Papierkrieg! Er ist ein Grabenkampf, bei dem fünf Meter gewonnen und fünf Meter verloren werden. Die Entwicklungszusammenarbeit gräbt sich jährlich tiefer ein. Vereinheitlichung mag ihren Reiz haben, Standards, globale Konzepte und Kontrolle sind bis zu einem gewissen Grad berechtigt. Viel aufregender aber sind Abweichung, Vielfalt und Phantasie! Wer das zu chaotisch findet, sollte besser eine Maschine steuern, die Plastikteile produziert.
Versteht sich von selbst, dass die Geschütze des Papierkriegs unter der dringenden Mahnung aufgefahren werden, den „administrativen Aufwand“ minimal zu halten. Womit wir beim Fundraising sind, das am geläufigsten zitierte Beispiel für „administrativen Aufwand“. Die Projekte zu finanzieren, Menschen dafür zu gewinnen, Netzwerke zu bauen, ist richtige, anstrengende Arbeit. Meine Sympathie gilt allen Fundraiser/innen der Welt – ihr seid Held/innen! Wir Hilfswerke bestehen in einem Tsunami des Kommerzes, der jedes Hirn im Sekundentakt flutet. Ganz schön cool, wie gekonnt wir auf dieser Monsterwelle surfen. Schon wieder jemanden davon überzeugt, eine Spende zu leisten, anstatt mehr Ware zu kaufen! Spender/innen enervieren sich über die vielen „Bettelbriefe“. So verständlich das ist: die Hilfswerke sind von dieser Welt. In einer durchkommerzialisierten Wirtschaft müssen auch wir werben, wenn wir gehört werden und unsere Projekte realisieren wollen. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.
Damit aber genug gemäkelt. Lassen wir die Korken knallen! Wir feiern 40 Jahre Anteilnahme und Solidarität. Einige Ziele wurden erreicht, viele weitere will CO-OPERAID noch ansteuern. Ich freue mich, wenn Sie unsere Bildungsprojekte weiterhin überzeugt mittragen.