Ein Jubiläum bringt ins Grübeln. 40 Jahre gibt es CO-OPERAID nun bereits - braucht es uns auch in Zukunft? Und schaffen wir es weiterhin, das nötige Geld für die Projekte zusammenzubringen? Ich muss gestehen, am 1. Januar blicke ich dem kommenden Jahr Fundraising-technisch jeweils mit gemischten Gefühlen entgegen. Dann sind die Budgets und Prognosen gemacht und es gilt, diese bestmöglich zu erfüllen. Doch dazu müssen immer wieder aufs Neue zahlreiche Kontakte hergestellt und die Menschen von unseren Projekten überzeugt werden. Wie gut dies gelingt, weiss man erst Ende des Jahres. Schlussendlich überwiegt aber immer der Optimismus, genährt durch die Fundraising-Erfolge, die hinter uns liegen. Mit einer grossen Portion Motivation und Überzeugung von dem, was CO-OPERAID tut, lege ich jeweils los.
Die Überzeugung für die Sache ist meines Erachtens eine der wichtigsten Eigenschaften für FundraiserInnen. Persönlich schöpfe ich diese auch stark aus den Projektbesuchen vor Ort. Was mich dabei immer wieder bewegt, ist der Einblick in die sehr überschaubare Welt der Kinder und Erwachsenen in den ländlichen Projektdörfern. Während wir hier in der Schweiz mit Informationen überflutet werden und Zugriff auf eine Unmenge an Unterhaltungsmedien haben, ist dieser Zugang zu Wissen, Filmen, sozialen Netzwerken oder Spielen in unseren Projektgebieten beschränkt. Nach (Bilder-)Büchern oder iPads sucht man hier vergebens. Das Wissen der Kinder ist dadurch kaum von aussen beeinflusst. Sie kennen nur die Welt, wie sie in ihrem Dorf ist.
Den Globus gibt es in Nong nicht
Ein Erlebnis ist mir besonders in Erinnerung: als ich auf Besuch in Laos im Distrikt Nong einem 12-jährigen Mädchen einen Spitzer in der Form eines Globus schenkte, wusste sie ganz offensichtlich nicht, was dieses Ding in ihrer Hand darstellen sollte. Sie erkannte die Erdkugel mit den verschiedenen Kontinenten nicht. Ich hatte damit nicht gerechnet und war einen Moment baff. Die Welt mit ihren verschiedenen Ländern und Kulturen sind im Leben dieses Mädchens ganz einfach unsichtbar. Sie spielt aus Sicht der Menschen in ihrem Dorf keine Rolle. Solange keine Notwendigkeit besteht, reisen die meisten Dorfbewohner/innen nicht viel weiter als bis in den Nachbarort. Dort endet ihre Lebenswelt – auch wenn gewisse Produkte, die auch in diesen Dörfern zu sehen sind, durchaus zeigen, dass die Globalisierung ihren Weg überallhin findet.
In diesem Kontext spielt die Schule als Informationsquelle eine umso wichtigere Rolle. Sie ist ein Ort, an welchem von Unbekanntem und Neuem gesprochen wird – ein Ort, an dem sich oft auch ein Globus findet oder ein Poster mit einem Bild aus einer fremden Welt hängt. Die Schule aber wurde in besagtem Dorf lange nur halbwegs betrieben: das Gebäude war baufällig und der Lehrer war schlecht ausgebildet. Viele Eltern schickten ihre Kinder gar nicht in die Schule. Durch das Projekt von CO-OPERAID wurde die Schule aufgewertet und es entstand eine neue, positive Dynamik. Erstmals gingen alle Kinder im Dorf in die Schule. Eine Chance für sie, nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, sondern auch etwas über die Welt ausserhalb ihres Dorfes zu erfahren.
Bis ans andere Ende der Welt blicken
Denkt man an Bildungsprojekte in der Entwicklungszusammenarbeit, so stehen oft der regelmässige Schulbesuch und der Lernerfolg im Vordergrund. Im lokalen Kontext bedeutet Bildung aber so viel mehr. Es ist eine (oft einmalige) Chance für die Kinder, ihren Horizont zu erweitern und durch Bücher und die Erzählungen der Lehrpersonen eventuell sogar bis ans andere Ende der Welt zu blicken. Hier können sie Neues entdecken, können staunen und Ideen und Träume reifen lassen. Manche Kinder lässt die Neugier nicht mehr los und sie bauen später erstaunliche und beeindruckende Lebensläufe auf dieses Fundament. Andere Kinder bleiben in ihrem Heimatdorf und werden Bauern wie ihre Eltern. Jedes Kind geht seinen Weg. Doch sie sollten alle die Chance haben, einen Blick in die grosse weite Welt zu werfen und sich für einen Lebensweg zu entscheiden.
Ich bin voller Motivation, mich weiterhin dafür einzusetzen, dass möglichst viele Kinder dieser Welt ihr Recht auf Bildung einlösen können und diese Chance zur Entwicklung erhalten. Es ist ein Privileg, an der Schnittstelle zwischen den SpenderInnen und den Organisationen vor Ort zu arbeiten und die Projekte auch durch Besuche aus nächster Nähe begleiten zu können. Mein aufrichtiger Dank geht an alle, welche die Arbeit von CO-OPERAID unterstützen und unsere Bildungsprojekte überhaupt erst möglich machen!